Tanz und WahnSinn / Dance and ChoreoMania

 

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II. Tanzwahn und Therapie // Choreomania and Dance Therapy


Alexa Junge
Tanzekstase und Transformation. Die Eigendynamik des Tanzes als Transformation der WirklichkeitIII. Schizoanalysis und Erotomanie

[german]

Alexa Junge

Tanzekstase und Transformation – Die Eigendynamik des Tanzes als Transformation der Wirklichkeit

Bei der Betrachtung von Tanzritualen wurden die Eigendynamik von Tanz, seine transformative Sprengkraft und die Möglichkeit der Katharsis zu wenig in der bisherigen Tanzethnologie untersucht. Aber gerade hier liegen die Potentiale des körperlichen Ausdrucks und Ausagierens. Wollen wir ein körperliches Phänomen verstehen, auch wenn es stark kulturell geprägt ist wie der Tanz, dürfen wir neuere
Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, Tanzpädagogik und Sportwissenschaft nicht außer Acht lassen. Transformation ist vor allem eine physiologische Transformation. Das soll anhand der Eigendynamik von Tanz, an tanzpädagogischen Erklärungsansätzen und durch Aussagen von Vertreterinnen des Ausdruckstanzes bzw. Modernen Tanzes verdeutlicht werden. Transformation ist vielfältig und soll hier auf individueller Ebene und auf physiologischer Ebene untersucht werden. Die physiologische Ebene der Transformation wird von einigen Musikwissenschaftlern wie Gilbert Rouget oder Tanzforscherinnen auf dem Gebiet der Pädagogik und Neurologie, wie z. B. Claudia
Fleischle-Braun, untersucht. Auch Klaus-Peter Köpping hat wichtige Überlegungen zur Körperbewegung angestellt, dabei untersucht er die Beziehung zwischen der Expressivität und der Eigendynamik der körperlichen Bewegung in der rituellen Performanz. Tanz kann eine Transzendierung des Augenblicks bedeuten, so Rouget, der von einer veränderten Wahrnehmung von Zeit und Raum durch Musik und Tanz spricht. Die Wahrnehmung des Ichs scheint in der bisherigen Betrachtung die „Sprengkraft“ des Tanzes zu sein, denn diese kann transzendieren und auch transformiert werden gerade durch die veränderte Selbstwahrnehmung, die der Tänzer erfährt. Beim
Tanz setzen physiologische und psychologische Vorgänge ein, welche die Eigendynamik des Körpers aufzeigen. Die Heilung von Körper, Geist und Seele durch das Freisetzen von Emotionen in religiösen Zeremonien und dem Ausleben sowohl des alltäglichen Lebens als auch von Krisensituationen durch Körperbewegung begegnet uns immer wieder im Zusammenhang mit Tanz.

Der Mensch kann durch bestimmte Körperzustände wie Tanz und Ekstase Emotionen in Form von kinetisch empfundenen Erfahrungen freisetzen, er kann sie durch motorische Erfahrungen hervorrufen, oder aber auch Emotionen bei Zuschauern hervorrufen (Vgl. Espenak 1985). Die Möglichkeit der Veränderung durch die Dynamik des Tanzes richtet sich primär auf die Freisetzung von Gefühlen oder auf eine nonverbale Kommunikation, die wegen ihrer performativen Qualitäten auch ganz spezifische Auswirkungen auf die Zuschauer bzw. Beteiligten haben. Tanz kann als Sichtbarwerden eines innerlichen Bewegtseins verstanden werden, indem es künstlerisch ausgedrückt wird. Anhand von Aussagen der Tänzerinnen Ruth St. Denis, Isadora Duncan und Mary Wigman soll diese Dimension des Tanzes veranschaulicht werden. Die Aussagen von TänzerInnen erscheinen uns verklärt, dennoch lässt sich daraus eine Motivation ablesen kann, warum der Mensch tanzt und warum auch oft in religiösen Zusammenhängen. Hier zeigt sich eine gewisse Dynamik im Tanz, die in erster Linie aus der Körperbewegung hervorgeht, auf der physiologischen Ebene. Gerade ekstatische Tänze, die eher einen spontanen Charakter besitzen oder sich nicht in fest einstudierter Körperkontrolle bewegen, sind ein wirksames Mittel, das Individuum und die religiöse wie soziale Ordnung zu verändern. Die angeführten Beispiele sollen die Eigendynamik des Tanzens verdeutlichen – transformatives Potential ist dem Tanzen immanent, kann allein schon durch die Steigerung der Körperbewegung entstehen und scheint ein Mittel zur mentalen Entgrenzung zu sein.

 

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(c) 2011 Johannes Birringer & Josephine Fenger, editors

Leipzig: Henschel Verlag, 2011.paperback,€ 24.90, ISBN-10: 3894877103

This book project is supported by

Gesellschaft für Tanzforschung (GTF)

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