Tanz und WahnSinn / Dance and ChoreoMania

 

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IV. Performance and Choreomania


Nastascha Siouzouli
Die Spaltung im Blick. Krise und ihre Aufhebung in der Arbeit Laurent Chétouanes

[german]

Natascha Siouzouli


Die Spaltung im Blick: Krise und ihre Aufhebung in der Arbeit Laurent Chétouanes

Der Text setzt sich mit der Frage nach der Art und Weise der performativen Hervorbringung von Krise im Theater und ganz speziell im Verhältnis von Akteur und Zuschauer auseinander. Die These besagt, dass spezielle Inszenierungsstrategien eingesetzt werden, mit dem Ziel, das traditionelle Verhältnis von Akteuren und Zuschauern zu destabilisieren und ins Wanken zu bringen. Der Text fokussiert diesen Moment der Verunsicherung und der Instabilität, der als ein Schwinden der Präsenz – im Sinne einer Aufhebung von Gegebenheiten, Konstanten und etablierten Zuschreibungen, die den Körper, die Identität, die Existenz betreffen – ausgelegt wird. Der Text legt zwei Arbeiten des jungen Regisseurs Laurent Chétouane zugrunde, nämlich Lenz* (Berlin, Mai 2006, mit Fabian Hinrichs) und Studie I zu Bildbeschreibung von Heiner Müller (Berlin, März - April 2007, mit Frank Willens). Chétouane macht ein Theater, das sich nicht festlegen lässt und ist in diesem Sinne schon interessant im Hinblick auf Destabilisierungs- und Verunsicherungsprozesse; er arbeitet sowohl mit Text als auch mit Bewegung bzw. Tanz; er bespielt mehr oder weniger “traditionelle” Theaterräume (im Sinne einer vorhandenen Teilung von Bühne und Zuschauerraum und der daraus folgenden Platzierung der Aufführungsteilnehmer), doch seine Arbeiten subvertieren stets Konventionen und Normen. Chétouanes Perfomances stellen Topoi dar, in denen Sinn, Präsenz, Norm etc. stets entrückt sind. Eine wesentliche Rolle im Prozess der Destabilisierung und der Verschiebungen spielt die Inszenierung bzw. die Performanz des Blicks, den sich in Chétouanes Arbeiten sowohl Akteure als auch Zuschauer teilen, ohne dass er ein Privileg für eine der beiden Gruppen darstellen würde. Der Blick – sonst zentrales Instrument der Identitäts- und Machtsicherung – derart eingesetzt trägt bedeutend zur Etablierung der Krise bei und zeichnet die Performances als Räume ständiger Verhandlungen, Verschiebungen und Umdefinitionen aus. Der Text analysiert diese spezielle Inszenierung des Blicks, um deren Konsequenzen für den Körper, den Raum, das Voranschreiten der Performance bzw. deren Beitrag zum Schwinden der Präsenz zu konkretisieren. Der Text zeigt am Beispiel von zeitgenössischem Theater bzw. Tanz, wie sich Äußerungen der Krise heute artikulieren: Wie wird nun Instabilität und Verunsicherung in den darstellenden Künsten hervorgebracht und mit welchem Zweck? Wie äußert sich in der Aufführung die durch die Aufhebung von Gewissheiten und Konstanten gezeichnete Präsenz und welche Wirkung zeitigt sie? Welche Wege der Heilung bzw. des Umgangs mit der Krise werden dargeboten oder anders gefragt: Nimmt man an den Aufführungen teil wegen der Krise oder wegen der Kur?

 

 

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(c) 2011 Johannes Birringer & Josephine Fenger, editors

Leipzig: Henschel Verlag, 2011.paperback,€ 24.90, ISBN-10: 3894877103

This book project is supported by

Gesellschaft für Tanzforschung (GTF)

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